Aktuelles & Rechtstipps

ARBEITSrecht: Arbeitgeber muss Gründe für betriebliche Kündigung darlegen

Kanzlei Blog • Mai 15, 2018

Fällt eine Stelle aus betrieblichen Gründen weg, ist der Arbeitgeber hierfür beweispflichtig

Arbeitgeber sind voll beweisbelastet für die betrieblichen Gründe der Kündigung. Bei einer Stellenaufgabe müssen sie die Aufgaben und Zeitanteile des Gekündigten aufarbeiten. Ebenso gründlich gilt es, die Freiräume bei den anderen Mitarbeitern zu erklären, welche die zusätzliche Übernahme der Aufgaben erlauben.


Einziger Personalverantwortlicher stellt Hierarchieebene dar

Das LAG Köln hatte einen Klassiker der betriebsbedingten Kündigung zu entscheiden. Geliefert wurde der Fall von einem bundesweit agierenden Messebauunternehmen. Der 200-Mann starke Betrieb hatte mit Auftrags- und Umsatzrückgängen zu kämpfen und nahm sich deshalb vor, mit Beginn des Geschäftsjahres insgesamt 15 Stellen zu streichen. Einer der Köpfe, die rollen sollten,war der eines 56jährigen Mitarbeiters, der die Schreinerei in Kerpen leitete. Das Unternehmen meinte dessen Hierarchieebene, die nur aus ihm bestand, streichen zu können. Das ist legitim und bei gut durchdachter Umsetzung auch möglich. Auf das Kündigungs-

schreiben vom 28.7.2016 folgte die Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Köln. Das kassierte die Kündigung. In der Berufungsinstanz bestätigten die LAG-Richter diese Entscheidung.

Beweislast von Unternehmen nicht ernst genug genommen

Die Gerichte konnten bei Beachtung der ständigen BAG-Rechtsprechung nicht anders entscheiden. Dazu hatte die Messebaufirma in diesem Prozess schlicht zu wenig Fakten geliefert; Wankelmütig war die Haltung des anwaltlichen Vertreters bereits im Vortrag zu den betrieblichen Gründen der Kündigung.


In erster Instanz wurden noch sowohl außer- als auch innerbetriebliche Gründe, nämlich den

Auftragsrückgang und zusätzlich die Unternehmerentscheidung der Streichung der Hierarchieebene genannt.

In zweiter Instanz beschränkte man sich auf die innerbetriebliche Unternehmerentscheidung. Wegen der viel zu pauschalen, kaum mit Fakten und Zahlen belegten Angaben, griffen aber weder die einen noch die anderen Gründe.

Arbeitgeber muss Anhaltspunkte für dauerhaften Auftragsrückgang liefern

Beim Vortrag zum Auftrags- und Umsatzrückgang beschränkte sich das Unternehmen auf eine solche Tendenz für die letzten 1 ½ Jahre sowie einen Umsatzrückgang im Budget für das laufende Geschäftsjahr i.H.v. 10 Mio. EUR. Zu Recht monierten die Kölner Arbeitsrichter, dass weder erkennbar sei, aufgrund welcher Auftrags- und Personalplanungen

der Arbeitgeber von einem dauerhaften Auftragsrückgang ausgehe, noch inwieweit ein Umsatzrückgang den Wegfall von Beschäftigungsbedürfnissen zur Folge

habe.

Wegfallende Aufgaben und Umverteilung auf Kollegen müssen zeitlich analysiert werden

Lehrbuchmäßig wurde die Variante der Kündigung durchexerziert, die auf der Entscheidung beruht, eine Hierarchieebene zu streichen. Der Arbeitgeber muss in einem solchen Fall konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen

die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten zukünftig entfallen

und im Einzelnen darstellen, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal künftig ohne überobligationsmäßige Leistungen, also im Rahmen ihrer bestehenden Arbeitszeit, erledigt

werden können.

Die Aufgaben des Gekündigten wurden von der Messebaufirma im Wesentlichen aufgezählt

(Materialbestellung, Verwaltung von Fundusteilen aus der Schreinerei, Steuerung des Maschinenparks, Arbeitseinteilung, Urlaubs- und Abwesenheitsplanung für das ihm unterstellte 20köpfige Team), nicht aber der zeitliche Anteil, den die einzelnen Arbeiten in der 40 h-Woche des Gekündigten in Anspruch nahmen. Nur grob behauptet und nicht belegt wurde, dass das Aufgabenfeld auf 10 bis 20 h pro Woche geschrumpft sein soll. Nach der ursprünglichen Planung sollten die Leitungsaufgaben von dem sog. Plant Manager und die Fachaufgaben (Materialbeschaffung, Fundusteile usw.) von dem Schreinerei-Team übernommen werden. Anhand dieser „Brocken“ - ohne weitere Belege oder eine Darstellung der zeitlichen Freiräume bei den einzelnen Mitarbeitern, die die Zusatzaufgaben übernehmen sollten – konnte das

OLG Köln die anvisierte Umverteilung nicht nachvollziehen.

Schmankerl mit Lerneffekt

Während des laufenden Prozesses kündigte der Plant-Manager sein Arbeitsverhältnis. Das Unternehmen entschied, seine Stelle nicht nachzubesetzen. Seine Aufgaben und die des Gekündigten sollten nun wiederum andere Mitarbeiter übernehmen. Das alles aber war für die Kündigung, über die das LAG Köln zu entscheiden hatte, nicht mehr relevant, da es allein auf die Sachlage zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ankommt.


LAG Köln, Urteil v. 13.10.2017, 4 Sa 109/17;

www.haufe.de/recht



Mitgeteilt von Rechtsanwalt / Fachanwalt für Steuerrecht / Fachanwalt für Arbeitsrecht Martin J. Warm , Paderborn ( www.warm-rechtsanwaelte.de ) #rechtsanwalt #fachanwalt #detmolderstrasse204 #paderborn #arbeitsrecht



von Kanzlei Blog 02 Mai, 2024
Die Neufassung des NachwG ( Umsetzungsgesetz v. 20. Juli 2022, BGBl. 2022 I Nr. 27, S. 1174 ) und die sie daraus ergebende Nachweispflicht von Arbeitgebern, wesentliche Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses schriftlich zu dokumentieren, stellt viele Arbeitgeber vor rechtlichen Hürden. So sieht § 2 NachwG eine „Schriftlichkeit“ vor. Insgesamt ist die Dokumentation in Textform gem. § 126 b BGB zum Beispiel per E-Mail unzulässig.
von Can Kaya 20 Apr., 2024
Wenn Sie als Erbe oder Pflichtteilsberechtigter mit der Vollständigkeit eines notariellen Nachlassverzeichnisses nicht zufrieden sind, sollten Sie die rechtlichen Rahmenbedingungen kennen, innerhalb derer ein Notar Ermittlungen anstellen muss.
von Martin J. Warm 23 März, 2024
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden: Erkrankt ein Arbeitnehmer während der Kurzarbeit "null", werden die ausgefallenen Arbeitstage nicht als Zeiten mit Arbeitspflicht betrachtet, wenn es um die Berechnung des Jahresurlaubs geht. Selbst bei Krankheit vor Einführung der Kurzarbeit ändert sich laut dem jüngsten Urteil des BAG vom 05.12.2023 (Az. 9 AZR 364/22) nichts an der durch Kurzarbeit geänderten Arbeitszeitverteilung.
von Kanzlei Blog 22 März, 2024
Am Karsamstag, den 30.03.2024, wird Paderborn erneut zum Mittelpunkt des Laufsports, da der 76. Paderborner Osterlauf stattfindet. Dieses traditionsreiche Event lockt jedes Jahr tausende begeisterte Läuferinnen und Läufer aus ganz Deutschland an. Als Kanzlei freuen wir uns außerordentlich, in diesem Jahr als Förderer dieses historischen Laufs auftreten zu dürfen.
von Can Kaya 19 März, 2024
In einem bemerkenswerten Fall hat das Oberlandesgericht Oldenburg (Beschluss vom 20. Dezember 2023 - 3 W 96/23) die Gültigkeit eines Testaments anerkannt, welches auf einer ungewöhnlichen Weise verfasst wurde: Ein handgeschriebener Zettel, abgerissen von einem Brauereiblock, der normalerweise für die Bestellungen in einer Dorfkneipe verwendet wurde.
von Kanzlei Blog 03 März, 2024
Der BGH betont in zwei aktuellen Entscheidungen, dass Baumaßnahmen, welche der Barrierefreiheit dienen, von demjenigen Wohnungseigentümer bezahlt werden müssen, der die Maßnahme verlangt. Die Eigentümergemeinschaft bleibt insoweit von den Kosten verschont.
von Martin Warm 02 März, 2024
Das Oberlandesgericht München hat in seinem Urteil vom 13. Mai 2020 (Az: 7 U 1844/19) eine bedeutende Entscheidung zum Ausschluss eines Gesellschafter-Geschäftsführers ohne sachlichen Grund getroffen.
von Martin Warm 02 März, 2024
In der heutigen Arbeitswelt ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) am Arbeitsplatz unausweichlich. Doch die Verantwortung der Arbeitgeber im Umgang mit dieser Technologie ist von entscheidender Bedeutung. Ohne angemessene Überwachung und Kontrolle bergen KI-Systeme potenzielle Risiken, die nicht ignoriert werden sollten.
von Kanzlei Blog 21 Feb., 2024
In der aktuellen steuerlichen Landschaft stehen Unternehmen, insbesondere solche mit Technischen Sicherheitseinrichtungen (TSE) an ihren Kassen, vor neuen Herausforderungen. Betriebsprüfungen können zu Hinzuschätzungen führen, die Unternehmen finanziell belasten können. Doch welche Möglichkeiten haben Steuerpflichtige in dieser Situation?
von Kanzlei Blog 21 Feb., 2024
Wer zu erst dran ist, ist vorne! Wir bilden Rechtsanwaltsfachangestellte aus und nehmen ab sofort Bewerbungen unserer zukünftigen Auszubildenden entgegen!
Weitere Beiträge
Share by: