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ARBEITsrecht: Unwiderrufliche Freistellung: Lohn trotz neuem Job? Zwei Grundsatzurteile des Bundesarbeitsgerichts im Vergleich
In vielen arbeitsrechtlichen Beendigungsvereinbarungen wird eine unwiderrufliche Freistellung vereinbart – oft verbunden mit der Frage: Was passiert, wenn der Arbeitnehmer während der Freistellung eine neue Stelle antritt? Zwei Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zeigen, dass es auf die vertraglichen Details entscheidend ankommt.
Fall 1: Freistellung ohne Anrechnung – Doppelzahlung zulässig
Im Fall des BAG 10 AZR 809/11 (Urteil vom 17.10.2012) hatte ein Arbeitnehmer nach einem gerichtlichen Vergleich Anspruch auf Lohnfortzahlung bis zum Ablauf des Arbeitsverhältnisses. Eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes war im Vergleich nicht geregelt. Der Arbeitnehmer nahm vor Ablauf eine neue Stelle an – und erhielt im ersten Monat doppelt Gehalt.
Als der Arbeitgeber davon erfuhr, stellte er die Zahlungen ein und forderte Rückzahlung – vergeblich.
Das BAG stellte klar: Wer einen Arbeitnehmer unwiderruflich freistellt, verzichtet auf die Arbeitsleistung – und schafft damit Raum für anderweitige Beschäftigung. Ohne klare Anrechnungsregelung bleibt der doppelte Verdienst beim Arbeitnehmer.
Praxistipp:
Arbeitgeber sollten bei Freistellungen im Vergleich oder Aufhebungsvertrag explizit regeln, ob und wie Nebeneinkommen anzurechnen ist.
Fall 2: Sprinterklausel – konkludente Anrechnung möglich
Anders im Fall des BAG 5 AZR 314/20 (Urteil vom 23.02.2021): Auch hier wurde ein Arbeitnehmer unwiderruflich freigestellt. Diesmal enthielt der Aufhebungsvertrag jedoch eine Sprinterklausel – also das Recht, mit kurzer Frist vorzeitig auszuscheiden und eine Abfindung zu erhalten.
Der Arbeitnehmer trat zwar eine neue Stelle an, kündigte das erste Arbeitsverhältnis aber nicht. Sein Ex-Arbeitgeber stellte die Zahlungen ein.
Zu Recht, wie das BAG entschied: Auch ohne ausdrückliche Regelung sei der Vertrag dahingehend auszulegen, dass anderweitiger Verdienst auf den Freistellungslohn anzurechnen ist. Die Sprinterklausel solle beide Seiten entlasten – dieser Ausgleich werde durch eine "Doppelvergütung" gestört.
Praxistipp:
Sprinterklauseln können im Kontext unwiderruflicher Freistellung zu konkludenten Anrechnungsregelungen führen – auch ohne ausdrückliche Formulierung.
Fazit für die Praxis
Wer als Arbeitgeber auf Nummer sicher gehen will, sollte klare Formulierungen zur Freistellung und Anrechnung von Zwischenverdienst treffen – insbesondere bei Sprinterklauseln und Abfindungsregelungen. Arbeitnehmer wiederum sollten bei Aufnahme einer neuen Tätigkeit genau prüfen (lassen), ob und wann eine Anrechnung droht.
Was darf ich für Sie tun?
Als Fachanwalt für Arbeitsrecht unterstütze ich Sie bei Fragen zur rechtssicheren Gestaltung von Freistellungsvereinbarungen oder zur Durchsetzung Ihrer Ansprüche als Arbeitnehmer – kompetent, individuell und lösungsorientiert.
Ihr Ansprechpartner ist Rechtsanwalt Martin J. Warm

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